Studienfahrt zum Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim am 17.05.2025

Am 17. Mai 2025 fand im Rahmen eines Wahlfachs an der Medizinischen Universität Innsbruck eine Exkursion zur Gedenkstätte Schloss Hartheim statt – organisiert und begleitet von MMag.a Dr.in Ina Friedmann und Mag. Dr. Christian Lechner. Für die großzügige Unterstützung durch den Freundeskreis Pesthaus, den Absolvent:innenverein Alumn-I-Med und die Medizinische Universität Innsbruck danken wir ausdrücklich. Auch für die liebevolle Versorgung mit Brötchen, Kaffee und Kuchen möchte ich mich bedanken, kleine Gesten, die zwischendurch einen Moment der Erdung erlaubten.

Schloss Hartheim, ein ursprünglich im 16. Jahrhundert errichtetes Renaissanceschloss nahe Linz, steht heute wie kaum ein anderer Ort für die erschütternde Realität medizinischer Verantwortung und medizinischer Verfehlung. Während der nationalsozialistischen „Aktion T4“ wurde es ab 1940 zur Tötungsanstalt umfunktioniert. Hier ermordeten Ärzt:innen und Pflegepersonal in enger Zusammenarbeit mit der Verwaltung des NS-Staates etwa 30.000 Menschen, Menschen mit Behinderung, psychisch Erkrankte, Pflegebedürftige, und auch Häftlinge aus Konzentrationslagern, die als „nicht arbeitsfähig“ eingestuft wurden.

Was mich besonders berührte, war die Diskrepanz zwischen dem, was ich wusste und dem, was ich sah: Schloss Hartheim liegt eingebettet in eine ländliche Idylle, umgeben von gepflegten Gärten, blühenden Feldern, scheinbar unschuldiger Alltäglichkeit. Inmitten einer Gemeinde, in der damals das normale Leben weiterging, während wenige Meter entfernt Menschen systematisch getötet wurden. Als wir ankamen, erwartete ich unbewusst eine schroffe, abweisende Architektur. Doch stattdessen standen wir vor einem beinahe anmutigen Bau im Renaissancestil. Diese paradoxe Schönheit macht das Geschehene nicht fassbarer, sie macht es, wenn überhaupt, noch schmerzhafter.

Noch bedrückender war für mich die Tatsache, dass Schloss Hartheim vor dem Zweiten Weltkrieg eine fortschrittliche Einrichtung für Menschen mit Behinderungen gewesen war. Ein Ort an dem Menschen einst Pflege und Unterstützung erfuhren, wurde nach wenigen Wochen des Umbaus, für genau jene zu einem Ort des unmenschlichen Horrors. Dieser Bruch von Fürsorge zur Vernichtung erschüttert in seinem Tempo und seiner Radikalität.

Was für mich besonders verstörend war: Die Täter:innen lebten in diesem Schloss nicht nur, sie heirateten dort. Es wurde gefeiert, gelacht, fotografiert eine groteske Parallelwelt zum Leid, das gleichzeitig in den angrenzenden Räumen geschah. Diese Normalisierung des Grauens ist schwer zu begreifen und sie ist es, was uns am meisten dazu zwingen sollte, wachsam zu bleiben.

Außenansicht des Lern- und Gedenkortes Schloss Hartheim (© LGSH).

Ebenso schockierend war die Beliebigkeit, mit der Diagnosen verteilt wurden: Begriffe wie „Schwachsinn“ oder „Idiotie“ dienten als medizinische Etiketten, die das Leben eines Menschen binnen Minuten entwerten konnten. Wer als „unbrauchbar“ galt, wurde nicht nur aussortiert, sondern öffentlich als finanzielle Last stigmatisiert. Die Sprache war dabei kein bloßes Werkzeug sie war der erste Schritt zur Vernichtung.

Die Ausstellung „Wert des Lebens“ konfrontiert genau mit diesen Fragen. Sie stellt nicht nur das historische Geschehen dar, sondern stellt auch eine direkte Verbindung zur Gegenwart her: In welchem Maß sind Leistung, Gesundheit und Selbstoptimierung heute wieder zu Kriterien geworden, nach denen wir bewusst oder unbewusst Menschen bewerten?

Besonders dankbar bin ich für die differenzierten ethischen Diskurse, die uns an diesem Tag begleiteten. Die Fragen, die im Raum standen, waren unbequem, aber notwendig: Wer definiert den Wert eines Lebens? Welche Rolle spielen wir als zukünftige Ärzt:innen in einem System, das nicht nur heilt, sondern auch bewertet? Und was bedeutet es, sich bewusst gegen eine gesellschaftlich bequeme Gleichgültigkeit zu entscheiden? Es war kein einfacher Tag. Aber einer, der bleibt.

Verfasserin: Catherine-Valerie Voithofer

Beitragsbild: Die Studiengruppe vor dem Eingang zum Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. © Ina Friedmann