Stationen der Medizingeschichte am 21.05.2019

Vor mittlerweile zwei Jahren fanden sich in der Bibliothek des Ferdinandeums zahlreiche Interessierte zur ersten Auflage der „Stationen der Medizingeschichte“ ein. An vier Stationen wurden anhand einiger medizinhistorischer Objekte bestimmte Aspekte der Medizingeschichte in einem Impulsvortrag vorgestellt. Die positiven Rückmeldungen der Anwesenden ließen gleich anschließend an eine Fortsetzung dieser Veranstaltung als regelrechte Reihe denken. Entsprechend wurde im April 2018 in der Innsbrucker Kinderklinik, einem der neuesten Gebäude der Medizinischen Universität Innsbruck bzw. der tirol kliniken, eine zweite Auflage der „Stationen“ veranstaltet. Auch hiernach waren die Kritiken erfreulich motivierend, so dass die dritte Auflage, die nunmehr am 21.05.2019 im schönen Tiroler Volkskunstmuseum stattfand, bereits frühzeitig geplant wurde.

Die etwa 50 Anwesenden wurden an diesem Abend vom Hausherren Dr. Karl Berger, dem Leiter des Tiroler Volkskunstmuseums, herzlich begrüßt und empfangen. Dr. Berger wies auf die gerade stattfindende Sonderausstellung „Auf der Kippe. Eine Konfliktgeschichte des Tabaks“ hin und stellte anschließend das Konzept der „Stationen“ und die jeweiligen Referenten inklusive ihrer Themen vor. Auch Mag. Dr. Christian Lechner, seit Oktober 2018 neuer Obmann des Pesthaus‘, hieß die Interessierten willkommen und nutzte die Gelegenheit, unseren Verein kurz vorzustellen.

Anschließend wurden die Gäste in vier Gruppen geteilt und zu den bereits in unterschiedlichen Räumen verorteten vier Stationen gebeten. Jede Gruppe sollte schließlich alle vier Stationen „durchlaufen“.

Im Bereich der Sonderausstellung sprach Anna Engl, MA BSc vom Tiroler Volkskunstmuseum über ein Kräuterbuch aus dem Jahr 1593. Als „heilig Wundkraut“ wurde die Tabakpflanze in dieser Publikation von Adam Lonitzer vorgestellt. Die „krafft und tugend“ des Krautes zur Heilung von Wunden, Lungen- und Brustleiden sowie seine hunger- und durststillende Eigenschaft verschafften dem Tabak seine Berühmtheit als medizinisches Allheilmittel. Die Verbindung zum Heiligen wird auch gerade in seiner zeremoniellen Verwendung in Südamerika deutlich: Der Rauch, der die Ebenen des Menschlichen und des Göttlichen verbinden sollte.

Anna Engl bei der Vorstellung des Kräuterbuchs.

Dr. Andreas Winkler berichtete an der zweiten Station von der Geschichte des Zündholzes und vom Wiener Apotheker Stefan Rómer (1788-1842), dessen Verdienst die Beimengung von Phosphor in die Grundmasse war, wodurch die Streichhölzer an jeder rauen Fläche entzündet werden konnten. Durch die Übernahme weiterer technischer Neuerungen konnte er den Herstellungsprozess in seiner Streichholzfabrik, der ersten auf dem Boden des Österr. Kaiserreichs, vereinfachen und das Produkt so wesentlich verbilligen. Bis zu 200 Arbeiter stellten in seiner Fabrik Streichhölzer für die gesamte Habsburgermonarchie her, sein so erworbenes Vermögen ermöglichte ihm die Stiftung des unentgeltlichen St. Joseph-Kinderspitals in Wien, welches aber heute nicht mehr existiert.

Andreas Winkler bei der Präsentation der Zündhölzer.

An der dritten Station empfing MMag. Dr. Edith Hessenberger, Leiterin der Ötztaler Museen, die Anwesenden und präsentierte ein Medizinbuch von 1657. Dieses erlaubt tiefe Einblicke in die Vorstellungswelt, Behandlungsmethoden und verfügbaren Arzneien seiner Zeit. Das handgeschriebene Buch aus dem Ötztaler Heimatmuseum umfasst 380 Rezepte. Der unbekannte Schreiber widmet sich in dem Büchlein auffallend häufig der Behandlung von Kampfwunden, was auf Erfahrungen im Umfeld des Dreißigjährigen Krieges schließen lassen kann. Auch der Umgang mit der Pest wird thematisiert, was Mitte des 17. Jahrhunderts nicht verwunderlich ist.

Edith Hessenberger spricht über das Ötztaler Medizinbuch (© Tiroler Volkskunstmuseum).

Von der Entwicklung der Spritze aus den in der Humoralpathologie nach Galen und Hippokrates häufig verwendeten Klistierspritzen sprach Dr. Lechner an der vierten Station. Einen großen Einfluss dabei hatte die am Beginn des 19. Jahrhunderts durch Friedrich Sertürner durchgeführte Isolierung des Morphiums aus dem Opium. Da orales Morphium starke Übelkeit und auch Erbrechen auslöste, bemühten sich die Mediziner um alternative Verabreichungsmethoden, welche letztlich in der subkutanen Injektion mittels unterschiedlichen Spritzentypen gefunden wurde.

Christian Lechner zeigt die mitgebrachten Spritzen (© Tiroler Volkskunstmuseum).

Abschließend trafen sich alle Anwesenden im schönen Kreuzgang des Volkskunstmuseums und ließen den Abend in gemütlicher Atmosphäre ausklingen.

Auch nach dieser dritten Auflage der „Stationen“ waren die Rückmeldungen sehr positiv, so dass die Reihe im Frühjahr 2020 weiter fortgesetzt werden soll.

 

Links

Sonderausstellung „Auf der Kippe. Eine Konfliktgeschichte des Tabaks“ im Tiroler Volkskunstmuseum

Ötztaler Museen